Genesung / Recovery
„Bedenke: Ein Stück des Weges liegt hinter dir, ein anderes Stück hast du noch vor dir. Wenn du verweilst, dann nur um dich zu stärken, aber nicht um aufzugeben.“ Augustinus von Hippo

Sich auf den Weg machen, das heißt zunächst einmal akzeptieren,
dass etwas aus dem Ruder gelaufen ist. Dass sich Dinge, Ereignisse, Menschen in
meinem Leben anders entwickeln, als ich es mir vorgestellt habe. Dass sich auch
die eigene seelische Gesundheit meiner Kontrolle entzogen hat. Das Leben ist
manchmal stürmisch, es schüttelt uns durcheinander. Bis wir wieder festen Boden
unter den Füßen haben, kann eine Zeit, können manchmal Jahre vergehen.
Recovery bedeutet für mich, die Verantwortung für mich und
mein Leben ganz zu übernehmen. Nicht länger die Dinge, Ereignisse, Menschen um
mich herum verantwortlich zu machen. Sondern darüber nachzudenken, ob das, was
ich aus meiner Situation mache, zu einem zufriedenen und selbstbestimmten Menschen-Leben
führt. Meine Schlüsse daraus zu ziehen und danach zu handeln!
Vor meinen Gefühlen kann ich nicht weglaufen. Ich kann sie
höchstens unterdrücken, einschließen hinter einer Mauer, wo sie unbeobachtet
ein wildes Eigenleben führen. Irgendwann brechen sie als gefährliche Monster
wieder aus und pochen unübersehbar auf ihre Daseinsberechtigung. Für mich ist
dies der zentrale Punkt: Lernen, Gefühle vom ersten Anflug an auszuhalten und
zu ihnen zu stehen. Zunächst sich selbst gegenüber, später wo möglich auch nach
außen. Das bedeutet für mich nicht, jedes Gefühl auszuleben…
Jeder von uns ist gern glücklich, fröhlich, verliebt, mutig,
beherzt… Was aber ist mit schwierigen Gefühlen wie Ärger, Angst, Trauer, Wut,
Ohnmacht, die wir nicht haben wollen? Woher kommen nun Trost, Hoffnung, Vertrauen,
Mitgefühl, Beruhigung, Ermutigung?
In Zeiten des Gut-Gehens sammle ich Ressourcen. Horte Vorräte an Glück. Knüpfe Freundschaften, die tragen, auch wenn’s mal nicht läuft. Lebe meine Talente. Fülle meine Schatzkiste für den Notfall, materiell und ideell, mit Sachen, die mir guttun. Spüre ich eine Krise nahen, übe ich mich in Selbstfürsorge: Einen Gang zurück, mich an den kleinen Dingen erfreuen, Gitarre spielen, Katze auf dem Schoß, weite Spaziergänge, bei mir sein, melancholisch sein… mit Menschen reden, die wissen, dass nach dem längsten Winter ein neuer Frühling kommt. Auch bei mir.

Katherine Mansfield, neuseeländisch-britische Schriftstellerin
*14.10.1888 Wellington
+ 9.1.1923 Fontainebleau
Was ist eigentlich Recovery? (aus dem Programmheft des Recovery College Gütersloh Sommersemester 2023)
Selbstbestimmung (Empowerment): Jeder Mensch hat die Freiheit, seinen eigenen, unverwechselbaren Gesundungsprozess zu finden und zu bestimmen.
Hoffnung & Zuversicht: Recovery weckt Hoffnung und Vertrauen in ein neues Gefühl von Bedeutung und Sinn im Leben. Es ist eine Haltung der Hoffnung – von den Betroffenen, dem Fachpersonal und Menschen der Umgebung.
Gute Beziehungen: Recovery ist ein Prozess. Gute, tragfähige und unterstützende Beziehungen und Verbundenheit mit anderen Menschen unterstützen den Weg zu einem selbstbestimmten und zufriedenen Leben.
Identität: Viele Menschen stellen fest, dass sie sich durch ihre Erkrankung verändert haben. Recovery bedeutet oft eine Transformation des Selbst, bei der man eigene Stärken und Grenzen neu erkennt und akzeptiert auf dem Weg zu einem positiven Selbstbild.
Träume & Ziele: Träume, Ziele und Visionen verhelfen Menschen dazu, ihre Möglichkeiten zu sehen und zu nutzen, Chancen zu ergreifen und somit Schritt für Schritt auf ihrem persönlichen Weg voranzuschreiten.
Diese Elemente und einiges mehr werden Sie in unseren Kursen als Themen wiederfinden.
